Veröffentlicht in Glauben

Warum ich Ostern lieber mag als Weihnachten

Ich mag Ostern lieber als Weihnachten.

So, jetzt ist es raus. Ich hab’s gesagt. Beziehungsweise geschrieben. Und ich steh dazu! Denk ich. Geschrieben ist ja manchmal leichter als gesagt. Denn ich höre da schon die eine oder andere Stimme in meinem Kopf: „Wieeee? Ostern dem Weihnachtsfest vorziehen? Das tolle Weihnachtsfest mit allem drum und dran? Die Stimmung, die Kekse, das Krippenspiel, die Kerzen, der Weihnachtsbaum! Zu Ostern passiert doch gar nicht so viel.“

Doch das ist wohl genau einer der Gründe dafür, warum ich Ostern lieber mag. Es passiert (scheinbar) weniger! Denn als ich mich gestern mit meiner Schwester und einer Freundin zum Ostereierfärben getroffen habe, bemerkte ich, dass das so ziemlich das einzig „Österliche“ ist, was ich in dieser Saison zur Vorbereitung auf Ostern getan habe. Ich habe nicht einmal dekoriert. Nun, das hat verschiedene Gründe. Dekorieren ist allgemein nicht so mein Ding. Ich vergesse das immer wieder. Zu Weihnachten zwinge ich mich ein wenig dazu (und da gehört es eben einfach zum „Flair“) und an den letzten Osterfesten habe ich es auch probiert – aber ehrlich gesagt… das Ergebnis konnte sich nicht wirklich sehen lassen.

Ja, die Weihnachtsstimmung ist der Hammer. Ich liebe sie auch! Aber was genau liebe ich daran? Eben genau das: die Stimmung. Wir ziehen das Weihnachtsfest gefühlt ewig in die Länge. Manchmal frage ich mich, wieso eigentlich? Und muss ich mich schlecht fühlen, wenn mir am zweiten Weihnachtsfeiertag keine neuen erkenntnisreichen, christlichen Gedanken über Jesu Geburt einfallen und ich mich stattdessen am Rester-Essen erfreue und die freie Zeit genieße? Ich denke nicht. Und doch ist die Botschaft von Weihnachten ja so wunderbar! Sie wird nur überlagert von allem Möglichen drum herum, für das wir deutlich mehr Zeit brauchen und investieren als für das Gedenken an die Geburt von Jesus. Ich genieße dieses „Drum herum“, ja wirklich. Ich liebe den Plätzchenduft und wenn es keine Plätzchen gibt, ist es auch bei mir keine richtige Weihnachtszeit. All diese Traditionen haben definitiv ihre Daseins-Berechtigung. Aber der Sinn von Weihnachten ist etwas anderes – völlig losgelöst von dieser Stimmung.

Deswegen mag ich Ostern so sehr. Es gibt zwar auch hier mehrere Feiertage, einige Traditionen und Schokoosterhasen, aber üblicherweise konzentrieren sich die Feierlichkeiten auf den Ostersonntag. Es gibt keine all zu große „Stimmungsmache“ davor und kein wehleidiges „Jetzt ist Ostern schon wieder vorbei!“ danach. Ich habe das Gefühl, dass die Osterbotschaft dadurch jedes Jahr besonders rein aufs Neue vor mir steht und sie mir niemand im Vorhinein durch irgendwelche Kommerzialisierung verderben kann (im Supermarkt einfach in entsprechenden Abteilungen die Augen zukneifen). Jedes Jahr denke ich: „Mensch, Ostern ist echt cool – wir feiern die Auferstehung von Jesus! Wir feiern den Sieg des Lebens über Schuld und Tod! Das fetzt.“

Denn das kommt noch dazu. Nicht nur, dass Ostern weniger dem Kommerz ausgesetzt und mir somit sympathischer ist – es ist auch noch die Botschaft schlechthin. Es ist der Grund meines Glaubens. Natürlich musste Jesus dafür erst einmal geboren werden und es ist toll, dass wir dessen an Weihnachten gedenken. Aber das Auferstehungsfest, Ostern, ist für mich die pure Freude und die wichtigste christliche Botschaft. Ich bin also einfach eingeschnappt, weil Weihnachten dennoch mehr Aufmerksamkeit erhält? Ganz im Gegenteil. Ja, die Weihnachtsstimmung und die Geschenke erhalten mehr Aufmerksamkeit. Aber ansonsten? Der Sinn von Weihnachten? Wer dagegen Ostern feiert, deutet auf etwas Besonderes hin. An Weihnachten gehen viele in die Kirche. Aber zu Ostern? Da muss man schon einen guten Grund haben.

Den haben wir. Und wenn das nicht schon genug wäre, läutet Ostern auch noch den Frühling ein. Es ist das absolute Zeichen des Neuanfangs und des Aufatmens. Ich bin nicht sehr charismatisch veranlagt, aber im Inneren geht bei mir am Ostersonntag schon eine kleine Party ab. Ich fühle mich lebendig, innerlich und äußerlich. Und hey: die Party kann auch dann steigen, wenn der Frühling noch nicht so ganz da ist. Wir lassen uns doch vom Wetter nicht die Osterfreude verderben! (Genauso wie wir nicht vom weißen, flauschigen Schnee für die Weihnachtsfreude abhängig sind…)

Warum ich dann also trotzdem Ostereier färbe? Ich mag Eier, ich mag es bunt und ich mag Gemeinschaft. Die perfekte Kombination, oder? Ich wünsche dir ein tolles Osterfest, ganz egal wie du es feierst. Ich wünsche dir, dass du neu anfangen kannst und die ultimative Osterbotschaft neu entdeckst.

Constanze

Veröffentlicht in Aus dem Alltag, Glauben, Persönlichkeit

Gedankenkreise…

Ich sitze mit meiner Schwester in unserem Wohnzimmer. Wir arbeiten. Da die Universitätsbibliothek ein paar Tage geschlossen hat, sind wir auf Home Office umgestiegen. Das hat auch einige Vorteile: ganz Streber, wie wir sind, können wir uns so schon vor 9 Uhr treffen. Wir können nebenher Kaffee trinken und bis zum Bad müssen wir nur einmal durch den Flur laufen. Und wenn ich meine Karteikarten vergessen habe, ist keine erneute Wanderung zum Schließfach nötig. Im Hintergrund laufen „sphärische Lernklänge“ oder melodische Klavier- und Gitarrenmusik. Irgendetwas, was man bei YouTube unter „Study Music“ findet.

Gestern konnte ich diese Vormittagsstunden wunderbar produktiv nutzen. Doch heute passiert es, ganz plötzlich, nach etwa ein bis zwei Stunden: Meine Gedanken fangen an zu kreisen. Und sie sind nicht mehr zu stoppen. Urplötzlich fällt mir alles ein, was mein Mann und ich in den Osterferien vorhaben und dass es eigentlich viel zu viel ist. Und kaum etwas hat schon einen festen Termin! Es sind schöne Dinge, aber auch viele, die einfach endlich erledigt werden müssen. Umso länger ich darüber nachdenke, umso mehr fällt mir ein. Ich kann nicht weiterlernen. Ich starre nach wie vor gebannt auf mein Buch, aber in meinem Kopf kommen keine ganzen Sätze mehr an.

Ich bin schon immer jemand gewesen, der sich in Gedanken verlieren kann. Schon als Kind – da waren es irgendwelche schrägen Fantasiewelten (die ich bis heute bildlich vor Augen habe…). Später ein schlechtes Gewissen, das ich einfach nicht loswurde, bis ich ein schlechtes Gewissen wegen meines schlechten Gewissens hatte (das passiert mir manchmal immer noch). Heute sind es oft Sorgen über die Gegenwart oder Zukunft oder Fragen nach Sinnhaftigkeit. Es sind Ängste, dass ich etwas nicht schaffe. Unsicherheiten, wenn es keinen konkreten Plan gibt. Und manchmal denke ich eben so sehr über etwas nach, dass ich mich ganz darin verliere und irgendwann gar nicht mehr weiß, worin genau das ursprüngliche Problem bestand. Es kommt vor, dass ich zu diesem Zeitpunkt schon völlig verzweifelt und durchgedreht bin. Du kennst das? Herzlich willkommen, du bist nicht allein.

Nun, das war heute in unserer Home-Office-Zeit nicht ganz so dramatisch. Und auch allgemein habe ich mit der Zeit meine Mittel und Wege gefunden, damit umzugehen. Eine wesentliche Rolle spielen dabei die Menschen, die mir am nächsten stehen, mir sagen „Constanze, du verlierst dich da wieder“ und mich auf andere Gedanken bringen. Denn meist liegt genau da das Problem: Ich glaube, irgendeine Lösung finden oder die Sache so lange durchdenken zu müssen, bis ich auf deren Grund angekommen bin. Ja, sehr oft ist das meine Stärke und ich schaffe es tatsächlich, Lösungen zu finden. Ich gehe Dingen gern auf den Grund. Ich analysiere Situationen ins Detail. Doch es passiert, dass ich es tue, obwohl es unnötig ist und zu nichts führen würde. Denn nein, ich rede hier nicht von den Problemen und Gedanken, die auf jeden Fall Beachtung und Bearbeitung benötigen. Ich rede von diesem Grübeln, das zu nichts führt. Von den Sorgen, die sich gegenseitig hochschaukeln. Von Ängsten über Dinge, die eigentlich nicht real sind. Von einem Vergessen der Realität und einem Verlieren im Kopf.

Sich selbst nicht schlecht machen

Wenn es dir so geht wie mir, dann ist das der Faktor, der alles nur noch schlimmer macht: „Oh nein, ich darf nicht so viel nachdenken, das ist dumm“. Sobald ich das denke, habe ich genau das Gegenteil bewirkt. Ich ziehe mich selbst herunter, und verliere mich umso mehr in negativen Kreisen. Viel eher hilft es mir, das Problem zwar zu erkennen, aber erst einmal zu akzeptieren. Ich benenne es, („Ah, da sind sie wieder, die Gedankenkreise“), aber ich lasse es nicht zu, dass sie eine zu hohe Priorität erhalten. Zumindest versuche ich es… Die folgenden Punkte helfen mir dabei:

Mit anderen darüber reden

Erst einmal raus damit! Das löst nicht unbedingt alle meine Sorgen und Ängste, aber manche Dinge können sehr schnell relativiert werden, sobald sie ausgesprochen sind. In diesem Fall war meine Schwester zum Beispiel gern bereit, eine Arbeitspause einzulegen, damit ich ihr alle meine Sorgen über die Osterferien herunterrattern konnte. Die ein oder andere Sache konnten wir gleich praktisch klären. Aber vor allem nimmt es den Gedankenkreisen die Bedrohlichkeit, wenn sie ausgesprochen sind. Es nimmt ihnen die Wichtigkeit, die sie im Kopf einnehmen. Ausgesprochen wirken manche Dinge nämlich viel banaler als im Kopf – eben die Dinge, die eigentlich gar nicht so wichtig sind oder gar keinen Sinn ergeben. Ausgesprochen merke ich „Hm, das klingt eigentlich gar nicht so dramatisch“. Manchmal muss ich dann auch ein bisschen lachen und mein Mann sagt „Merkst du selbst, dass das keinen Sinn ergibt, oder?“

Aufschreiben

Manchmal reicht mir das Reden allerdings nicht. Und da kommt je nach Art der Gedanken das Schreiben ins Spiel. Ich mache mir Sorgen über Terminplanung und Organisatorisches? Kalender. Mir fallen alle möglichen To do’s ein? Listen. Ich fühle mich schlecht, habe Angst oder bin von mir selbst enttäuscht? Tagebuch. Lied schreiben. Nachricht an eine Freundin…

Ab ins „wahre Leben“

Doch noch viel wichtiger ist nach meiner Erfahrung folgendes: Raus aus dem Kopf und ab ins wahre Leben. Wenn die Gedanken so sehr kreisen, dass dabei nichts Produktives mehr herauskommt und ich immer weiter eine Spirale herunterrutsche, dann nichts wie weg aus dem Kopf. Viel zu oft vergesse ich es, aber das Beste, was ich in diesen Momenten tun kann, sind Tätigkeiten wie Kochen, Sport, Aufräumen… Irgendetwas Praktisches, das schnell positiven Erfolg nach sich zieht. Irgendetwas mit einem sichtbaren Ergebnis, das nicht viel Denkarbeit erfordert.

Es kommt vor, dass genau dann ein Treffen mit einem Freund oder einer Gruppe ansteht, wenn ich gerade so richtig an einer Sache verzweifle. Der Gedanke liegt nahe, dieses Treffen abzusagen. Doch häufig ist genau das am allerbesten: Zeit mit Menschen zu verbringen, die von meinem Problem nichts wissen. Denn dann bin ich gezwungen, ja ich kann gar nicht anders, als die Gedankenkreise beiseite zu schieben und mich mit diesen Menschen zu beschäftigen. Und danach, wenn ich nach Hause komme, sieht die Welt schon ganz anders aus. Prioritäten haben sich verschoben. Neuer Input hat meine Gedanken relativiert. Die gute Laune anderer hat angesteckt.

Loslassen.

Das ist ein Wort, das in solchen Situationen immer wieder neue Relevanz für mich erhält. Loslassen von der Idealvorstellung, alles durchblicken zu können. Von der Vorstellung, dass ich nur lange genug über etwas nachdenken, lange genug grübeln muss und dann habe ich die perfekte Lösung. Davon loszulassen ist gar nicht so leicht. Meist ahne ich, dass es Sinn machen würde, einfach Gott zu vertrauen – ihm all diese Grübelei hinzuhalten und bei ihm loszulassen. Doch oft geschieht etwas Schräges, wenn ich dann anfange zu beten: Ich erzähle Gott von all meinen Sorgen und auf einmal denke ich schon wieder über mögliche Lösungen nach. Ich fange an, mit Gott darüber zu debattieren, wie man diese oder jene Sache klären oder wie ich meinen Zeitplan ich den Osterferien in den Griff kriegen könnte. Und irgendwann merke ich – Stopp: Ich rede gar nicht mehr mit Gott! Ich rede schon wieder nur mit mir selbst. Ich versuche schon wieder irgendetwas zu lösen, was ich nicht lösen kann.

Loslassen. Was heißt das also? Wahrscheinlich, einfach vor Gott zu treten und zu sagen „Hier bin ich.“ Und sobald ich erkannt habe, dass ich ihm gegenüber weiter nichts leisten kann und muss, spüre ich, wie mich seine bedingungslose Liebe durchflutet. Diese Liebe, die bereits da ist, bevor ich meinen Alltag gut organisiert habe. Bevor ich mein Leben beisammen habe. Bevor ich all meine Ängst und Zweifel abgebaut habe. Bevor ich nicht mehr deprimiert bin. Bevor ich einen guten Plan habe. Bevor ich meine Gedankenkreise und Grübeleien in den Griff bekommen habe. Bereits davor bin ich genug.  

Und dann kann ich weitergehen. Schritt für Schritt in der Gegenwart leben und das tun, was mir möglich ist. Hier, im wahren Leben, nicht in irgendwelchen Gedankenkreisen in meinem Kopf. Mehr geht nicht und mehr muss nicht gehen.

Constanze

Veröffentlicht in Aus dem Alltag, Lifestyle

8 Gedanken zur Klamottentauschparty

Sechs Mädels, ein Kleinkind, ein Baby und ein Berg voller Klamotten in allen möglichen Größen, Formen und Farben. Vergangenen Sonntag war es mal wieder soweit:  Ich durfte Gastgeber einer Klamottentauschparty sein. (Was das sein soll und wieso? Einmal hier klicken.) Endlich einmal wieder! Das „tauschen“ im Wort ist übrigens nicht wirklich relevant. Wir beschenken uns einfach gegenseitig und dies ist wohl im Endeffekt wieder ein Tausch… Hier folgen nun acht Dinge, die ich mir von diesem lebhaften, fröhlichen, sehr ergiebigen Nachmittag mitnehme:

1.) Ich bin normalerweise eine Gastgeberin, die sich konstant darum sorgt, dass es allen Gästen gut geht. Wenn Klamotten im Spiel sind, ist das leichter: alles dreht sich um die Klamotten! Und alle anderen Sorgen scheinen vergessen. Es ist zum Beispiel erst reichlich spät jemandem aufgefallen, dass man mal lüften könnte… Und außerdem: Lieber davor ausgiebig essen und trinken. Währenddessen ist definitiv keine Zeit.

191081520355613835

2.) Dieses Mal haben wir es so gemacht, dass jeder seine mitgebrachten Klamotten selbst nacheinander präsentiert hat. Die anderen konnten sofort sagen, ob sie das angepriesene Teil anprobieren wollten oder nicht. Angesichts der Menge der mitgebrachten Klamotten hat das wirklich lange gedauert – aber sehr viel Freude bereitet! Es war ein bisschen wie Geschenke auspacken zu Weihnachten. Das macht auch mehr Spaß, wenn man sich gegenseitig zuschaut und jede Sache einzeln würdigt. (Zumindest, wenn man erwachsen ist…)

3.) Ich habe tolle Freundinnen. „Nein, das steht dir viel besser als mir. Bitte behalt es.“ „Das sieht richtig gut aus!!“ Und gleichzeitig liebevolle Ehrlichkeit: „Hm, ne, irgendwie nicht so richtig.“ „Ja, ne, ich fühle es auch nicht wirklich.“

4.) Wir sind noch absolut kein kinderfreundlicher Haushalt. Natürlich kann es einem Kind langweilig werden und es verlangt Aufmerksamkeit, wenn sechs Frauen wie verrückt damit beschäftigt sind, sich gegenseitig einzureden, wie gut jemandem etwas steht. Ob wir Kakao da haben? Kein Instant-Pulver, nur zum selbst kochen. Joghurt? Nur griechischen Naturjoghurt. (Ich merke erst jetzt, wie „alternativ“ das klingt.) Ich bin froh, dass meine Mütter-Freundinnen trotzdem gern kommen! Und im Endeffekt kann auch aus griechischem Natur-Joghurt, Marmelade und Zucker etwas Leckeres gezaubert werden. Ach so, und dann sind da noch die weißen Möbel und die vielen Kakteen… Aber wie schön ist es zu sehen, wie das Baby herumgereicht wird, damit auch die Mutter mal in Ruhe Klamotten anprobieren kann. Und die weißen Möbel durchlaufen eben ihren ersten Härte-Test. Nur Frauen mit Kindern können etwas gemeinsam unternehmen oder nur Frauen ohne Kinder? Keinesfalls.

5.) Es ist unglaublich, wie wenig Kleidergrößen eine Rolle spielen. Ich fand es total schön mit anzusehen, wie immer wieder verschiedene von uns das gleiche Teil anprobieren konnten und es bei jedem ganz anders aussah. Nur weil etwas auf den ersten Blick zu eng oder zu weit wirkte, war das nicht unbedingt ein Grund, es nicht auszuprobieren. Häufig wurden wir überrascht! Ich liebe es, auf diese Weise mit Klamotten zu experimentieren und meine Freundinnen zu neuen Stilen zu überreden. („Und wann soll ich das dann tragen?“ „Na ganz normal, an einem Sonntag zum Beispiel!“ „Die Farbe habe ich eigentlich noch nie getragen.“ „Ja, warum eigentlich nicht?“)

191061520355571463

6.) Die ganz besonderen Kleidungsstücke sind die, die man auf den ersten Blick wiedererkennt. „Aber das hast du doch so oft und auch noch in letzter Zeit getragen!“ Wenn man so ein Kleidungsstück ergattern kann, hat es besonders viel Wert, finde ich. Es ist, als ob eine Freundin dir einen alten Begleiter anvertraut. Jap, da bin ich wohl ein wenig sentimental, aber für mich sagen diese Klamotten: „Trag mich und belebe mich neu, denn ich bin etwas Besonderes!“

7.) Besonders lustig waren die Momente, in denen jemand ein Kleidungsstück von der letzten Klamottentauschparty hervorgezogen hat, das den gewünschten Job einfach nicht erfüllt hat. Und wir waren uns alle einig: Das ist erlaubt. Es ist eben ein ewiger Kreis. Außerdem: Lieber wieder zum Verschenken anbieten als wegschmeißen. Oder die Klamotten, bei denen ein Blick genügt und alle sofort wissen: „Jap, wir wissen noch, als das mal modern war…“

8.) Wir brauchen einen Spiegel. Einen richtigen Ganzkörperspiegel. Ja, wir haben einen. Er hängt am Schrank im Arbeitszimmer meines Mannes. Ungünstiger Ort für eine Klamottentauschparty…

Am Ende ist natürlich vieles übrig geblieben. Was man damit dann anstellen soll? Entweder in anderen Freundeskreisen anbieten, spenden, doch noch einmal eine Chance geben… Es gibt so viele Möglichkeiten. Ich für meinen Teil habe mir definitiv die nächste Shopping-Tour gespart. Und gleichzeitig eine Menge Spaß und Gemeinschaft genossen. Das war nicht das letzte Mal!

Constanze 

Veröffentlicht in Aus dem Alltag

Ein Konzertbesuch

Ich sitze in der Rathausdiele im Rathaus meiner Heimatstadt. Der Chor meines Mannes gibt heute ein Konzert. Es ist ein Ort, an dem ich schon selbst bei Musikschulvorspielen am Flügel gesessen habe. Das waren immer die wichtigen Konzerte, vor denen ich besonders viel Respekt hatte. Hier habe ich am ehesten mal ein schickes Oberteil getragen, gegen das ich mich als Kind sonst eher gewehrt habe.  „Aber nächstes mal ziehst du etwas Schickes an!“ hat meine Klavierlehrerin immer gesagt. Irgendwann sind meine Mama und ich mal shoppen gegangen. Ich erinnere mich an ein langes weißes, blumenbesticktes Shirt mit  breiter werdenden Ärmeln. Im Endeffekt hat es ihr aber glaub ich gereicht, wenn ich gut gespielt habe.

Ich habe meine Wurzeln in der klassischen Musik. Mein Mann auch. Es erscheint mir oberflächlich betrachtet eine unwichtige Gemeinsamkeit, aber irgendwie verbindet sie doch. Während ich heute der Popmusik emotional zugewandter bin und mein Mann immer noch klassischer Musik nachgeht, haben wir doch ein musikalisches Verständnis füreinander. Mein Mann ist in der Lage, sinnvolles feedback zu geben, wenn es um die Lobpreismusik im Gottesdienst geht und ich ebenso für die klassische Chormusik. Viel wichtiger jedoch – wir wissen es zu schätzen, was der andere macht und unterstützen uns gegenseitig. Feedback und Kritik sind dabei nur zweitrangig.

Als ich meinen Mann heute seit längerer Zeit mal wieder im Anzug mit Fliege sehe, muss ich lächeln. Sein Zeitplan lässt es erst seit kurzem wieder zu, dass er Teil eines Chores sein kann (obwohl: Geht es dabei wirklich um Zeit?), aber ich sehe sofort, dass er in seinem Element ist. Ich schaue mich um und sehe hauptsächlich ältere Leute im Publikum. Aber das ist nichts Ungewöhnliches für mich. Ganz im Gegenteil, ich genieße es. Habt ihr schon einmal beobachtet, wie klassische Musik Menschen glücklich machen kann? Es gibt kaum etwas Schöneres, als das Lächeln auf dem Gesicht meiner Nachbarin zu sehen und das geflüsterte „Toll“ zu hören, nachdem ein Lied ausgeklungen ist. Klassische Konzerte sind ein Ort, an dem ich Generationenverbundenheit spüre.

Heute bin auch ich wieder sehr begeistert. Die Qualität ist top. Besonders die lauten Lieder mag ich. Das war schon immer so. Wenn das Orchester so richtig reinhaut, der Chor so richtig abgeht, dann krieg ich Gänsehaut. Der Dirigentin nehme ich jede Handbewegung ab – sie ist mit Herz und Seele dabei. Sogar die Soli eines professionellen Tenors kann ich genießen. Viel mehr begeistert mich jedoch (natürlich) der Pianist, der ihn begleitet. Flinke Finger mit so viel Präzision. Soweit habe ich es nie geschafft, aber das kann ich heute neidfrei feststellen. Doch wisst ihr, wer mich sogar noch mehr begeistert? Die junge Frau, die neben ihm sitzt und die Noten umblättert. Gerader Rücken, voll konzentriert. Im letzten Moment steht sie auf und blättert flink die Seite um, genau zur richtigen Zeit. Diesen Job habe ich immer geliebt. Das mag merkwürdig klingen, scheint er doch so irrelevant und hintergründig. Doch meiner Ansicht nach verrät er viel Können und ist eine unglaublich wichtige Zuarbeit. Konzentriert die Noten zu verfolgen ist nicht immer leicht. Und dann auch noch genau so aufzustehen und genau so die Seiten umzublättern, dass der Pianist dadurch nicht belästigt wird – ein Vorgang, für den ich nur ganz bestimmte Leute anfrage, wenn ich selbst Klavier spiele.

Diagonal vor mir sitzt ein junges Mädchen, womöglich das einzige im Saal. Ich schätze, es ist acht oder neun Jahre alt. Das heutige Konzert besteht unter anderem aus längeren informativen Moderationsanteilen. Da kann ich es dem Mädchen nicht übel nehmen, dass es ihren Kopf auf die Schulter ihrer Oma legt. Doch während der Lieder tut sie manchmal mit ihren Fingern so, als würde sie selbst Klavier spielen. Sie ist aufmerksam. Es ist schön, das zu beobachten. Und wahrscheinlich erinnert sie mich mit ihrem imaginären Klavier auch ein wenig an mich selbst.

So viel verknüpfe ich nun schon mit diesem Ort. Eigene Klaviervorspiele in der Kindheit, standesamtliche Hochzeiten (inklusive meiner eigenen), Konzerte, eine Podiumsdiskussion, eine Ausstellung… In letzter Zeit fallen mir immer mal wieder Orte in der Stadt auf, die für mich in gewisser Weise „geschichtsträchtig“ sind. Und ich muss darüber schmunzeln, wie sie immer wieder neu geprägt werden. Denn hätte ich jemals als Kind bei einem meiner Klaviervorspiele in der Rathausdiele gedacht, das ich dort auch einmal im weißen Kleid stehen würde, um zu heiraten? Dass ich meinen Mann bei einem Konzert beobachten würde?

Wenn ich an solche Orte komme, kommen all diese Erinnerungen zurück – ich kann gar nichts dagegen tun. Ich erinnere mich daran, wie aufgeregt ich war, während ich darauf gewartet habe, dass ich mit dem Vorspielen dran bin. Ich erinnere mich an andere Schüler, mit denen ich mich verglichen habe. Die vor dem Losspielen gefühlte zehn Minuten still und andächtig vor den Tasten saßen und sich auf ihr Stück konzentriert haben. Ich erinnere mich daran, dass ich es als unangenehm empfand, mich zu verbeugen. Und dann auf einmal – wie ein unerwarteter Schnitt im Film – die Erinnerung an das Vorgespräch für die standesamtlichen Hochzeit hinter der Tür, die nur ein paar Meter von meinem jetzigen Sitzplatz entfernt ist. Die Erinnerung, wie mein Mann und ich schmerzhaft künstlich probieren, ernst und erwachsen zu wirken, während die Standesbeamtin uns Löcher in den Bauch fragt und mal wieder die Frage aufkommt, ob „evangelisch-freikirchlich“ eine amtlich zu erfassende Konfession ist (laut Standesbeamtin ja, laut Bürgeramt nein).

Manche Menschen gehen gern weg. Auch ich mache das hin und wieder. Nach der Schule dachte ich, dass ich „so richtig langfristig“ weggehen müsste – so wie das eben alle gemacht haben. Dabei habe ich wohl mehr auf irgendeinen Zeitgeist gehört als auf mich. Denn mittlerweile weiß ich: Ich komme gern zurück. Zurück zu alten Orten, die ich neu gestalten kann. Vertraute Umgebungen geben mir Mut, Neues auszuprobieren. Kennst du diese berühmte Komfort-Zone? Ob du es glaubst oder nicht: Du kannst sie auch dann verlassen, wenn du am selben Ort bleibst. Das habe ich lange Zeit nicht begriffen. Ich dachte, dass nur neue Orte Neues mit sich bringen könnten. Ich sah all die Weltenbummler und „in die Großstadt Ziehenden“ und wie dieser Lebensstil sie belebte.

Aber mich belebt das hier. Genau hier. Verschiedene Erinnerungen, aus denen ich Verschiedenes gelernt habe. Mich belebt meine Heimatgemeinde, in der ich aufgewachsen bin und die doch so viel mehr für mich ist als nur „meine Heimatgemeinde“. Sie ist ein Ort, an dem ich immer wieder neu auftanken und neu mitarbeiten kann. Mich belebt die Uni-Mensa, ich der ich bereits als Schüler, als Student und nun als „Pseudo-Student“ gegessen und die witzigsten Unterhaltungen am Nachbartisch belauscht habe (im Ernst: die Mensa ist der beste Ort, um Stoff für Fernsehsoaps zu sammeln).

Ich sage nicht, dass jeder zurückkehren oder immer am gleichen Ort bleiben muss – das wäre auch nicht gut. Aber im Endeffekt geht es gar nicht um die Orte an sich, sondern darum, was du aus ihnen machst, wie du sie füllst, wie du sie prägst.

Ich bin froh, dass ich zum Konzert gegangen bin, denn das war eigentlich gar nicht geplant. Es hat einen alt bekannten Ort mal wieder neu geprägt. Es hat mir bewiesen, das Altbekanntes immer wieder aufs Neue Relevanz haben kann. Und somit ist das Rathaus zu einem Bild für mich geworden. Ein Bild dafür, dass ich momentan genau hier genau richtig bin.

Constanze